Grundrente und Grundeinkommen – Respekt vor Lebensleistung?

Grundrente als Einstieg in das Grundeinkommen für jedermann?

Vorgesehene GrundRentenleistungen netto weniger als heutige Grundsicherung

Nach Angaben des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD) haben Arbeitnehmer, nach 35 Arbeitsjahren auf Niveau des Mindestlohns, derzeit einen Rentenanspruch von 517 €. Der Referentenentwurf „Grundrente“ des Bundesarbeitsministeriums sieht vor, dass ehemalige Geringverdiener, die nach 35 Beitragsjahren weniger als 896,00 € Rente beziehen, einen Zuschlag bekommen.


Wo ist der geldwerte Vorteil für Geringverdiener, wenn doch bereits heute die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vergleichbare Geldleistungen vorsieht?

Im Raum stehen derzeit (Februar 2019) 896,00 Euro Grundrente. Aber was bleibt von diesem Betrag netto übrig?

Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Bei Pflichtversicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung betragen die Abzüge derzeit 7,30 % (zzgl. kassenindividueller Zusatzbeitrag – Annahme 0,90 %) und 3,30 % für die Pflegeversicherung (kinderlose). Bei insgesamt 11,50 % Abzügen werden von der Grundrente ca. 793,00 € ausgezahlt.


Leistungsumfang der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben unter anderem Personen, die die (Regel-)altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht haben (§ 41 ff. SGB XII).

Jede erwachsene Person, die alleine in einer Wohnung lebt, hat zunächst (Stand 01.01.2019) Anspruch auf Geldleistungen in Höhe von 424,00 € (sogenannter Regelbedarf Stufe 1). Im Weiteren werden die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen. Diese können von den tatsächlichen Kosten abweichen.

Angemessen sind in der Regel marktübliche Mieten, die für Wohnungen des unteren Preissegments, am Wohnort des Leistungsberechtigen, zu entrichten sind. Einer alleinstehenden Person stehen ca. 50 Quadratmeter Wohnfläche zu.

Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Bedarf des Leistungsberechtigten einzelfallbezogen zu ermitteln (Beschluss vom 10.10.2017, 1 BvR 617/14). Die Höhe der Miete kann von Gemeinde zu Gemeinde voneinander abweichen; der Mietkostenzuschuss in einer Metropole wie Frankfurt somit höher ausfallen als auf einem Dorf im Westerwald.


Beispielrechnung zur Grundrente:

In seiner eigenen Beispielrechnung geht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von Unterkunftskosten in Höhe von 300,00 € und Heizkosten von 70,00 € aus[1]. Beträge, die eher auf den ländlichen Raum zutreffen dürften.

Im Ergebnis hat der Anspruchsberechtige einen Leistungsanspruch in Höhe von 794,00 €. Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung sowie Zusatzbeiträge werden vom Grundsicherungsamt übernommen, sofern der Betroffene diese nicht selbst bezahlen kann. Die Nettogrundrente entspricht insoweit der Grundsicherung, die jene mittellose Personen erhalten, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Einkommen oder Vermögen bestreiten können.


Verlust bei anerkannten Mietaufwendungen über 300,00 €/Monat

Soweit aber die anerkennungsfähigen Mietaufwendungen über 300,00 € liegen, was  in zahlreichen Großstädten der Fall sein dürfte, erleidet der Grundrentner einen finanziellen Verlust. Beispielsweise gelten in Frankfurt/Main bei einer Wohnungsgröße von 50 Quadratmetern, Baujahr 1919 – 1948, 456,00 € und bei Baujahr 2010 und später Mietkosten in Höhe von 548,00 € als angemessen und somit erstattungsfähig (Stand Jahr 2018, gemäß Angaben JobCenter Frankfurt zu SGB XII).

Bei (anerkannten) Mietaufwendungen von über 300,00 € sind die Geldleistungen der Grundsicherung höher als die Grundrente. Es würde sich anders darstellen, wenn bei Bezug von Grundsicherung ein Freibetrag in Höhe der monatlichen Rente gewährt wird. Das wäre dann ein echter Vermögensvorteil für ehemalige Geringverdiener.

Derzeit überlegt Arbeitsminister Heil, Grundrentenbeziehern einen monatlichen Freibetrag in Höhe von 106,00 € zu gewähren. Dieses Geld würde dann bei Bezug anderer Sozialleistungen nicht angerechnet werden.


Grundrente als Einstieg in das Grundeinkommen für jedermann?

Insoweit läßt sich wohl nicht mit Sicherheit ausschließen, dass die Grundrente den Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ablösen soll. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wurde vereinbart:

Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung. Wir wollen, dass der Bezug sozialer staatlicher Leistungen und der neu geschaffenen Grundrente nicht dazu führt, dass selbst genutztes Wohneigentum aufgegeben werden muss“.

Was bedeutet Bedürftigkeitsprüfung im sozialrechtlichen Sinn?

Bedürftigkeit liegt im Sozialrecht dann vor, wenn der Betroffene seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern kann. Bei Leistungen der Grundsicherung sind alle Einkünfte in Geld und das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Nicht anzurechnen sind derzeit u.a. ein Barvermögen in Höhe von 5000,00 €, selbst genutztes (angemessenes) Wohneigentum sowie angemessener Hausrat. Bis auf den erwähnten Freibetrag in Höhe von 106,00 €/Monat der Grundrentenbeziehern eventuell gewährt wird, würde sich nichts wesentliches ändern.


Künftige „Grundrente“ entspricht voraussichtlich der heutigen „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“

Aufgrund der soweit identischen Anspruchsvoraussetzungen ist die künftige Grundrente dasselbe wie die heutige Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Nur die Begriffe werden ausgetauscht. Halt, nicht ganz. Einen wesentlichen Unterschied könnte es geben:

Der Anspruch auf Grundrente soll 896,00 € betragen; bei Entfall aller anderen vorgenannten geldwerten Leistungen, die heute bei der Grundsicherung gewährt werden.

Soweit die Regelungen zur Bedürftigkeitsprüfung auf die Grundrente übertragen werden, dürfte sich im Ergebnis für den öffentlichen Haushalt eine Einsparung ergeben. Unter haushaltspolitischen Gesichtspunkten kein dummer Schachzug. Die etwaigen jährlichen Rentenanpassungen ändern hieran nichts, denn auch die Leistungen der Grundsicherung werden jährlich angepasst.


Grundrente als Einstieg in das Grundeinkommen für jedermann

Auch der Kreis der Anspruchsberechtigten würde sich nicht wesentlich erhöhen. Wer bereits heute nur eine geringe Rente bezieht, hat zumeist auch Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Grundrente könnte somit ein Modell für das heute eher am Rande diskutierte bedingungslose Grundeinkommen für jedermann darstellen. Die Sozialleistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung entsprechen im Wesentlichen jenen, die bei Bezug von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährt werden.


Grundrente aus Respekt vor der Lebensleistung?

Von einer Grundrente „aus Respekt vor der Lebensleistung[2]“ sollte man allenfalls dann reden, wenn diese nicht an eine Bedürftigkeitsprüfung geknüpft ist. Es ist eigentlich bereits erbärmlich, dass geringverdienende Menschen nach 35 Arbeitsjahren mit einem Rentenanspruch in Höhe von 896,00 € abgespeist werden sollen. Bis auf den erwähnten etwaigen Freibetrag in Höhe von 106,00 € entspricht die Grundrente im Wesentlichen jenen Geldleistungen, die ohnehin jedem Bedürftigen zustehen.


[1] https://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Sozialhilfe/grundsicherung-im-alter-und-bei-erwerbsminderung.html#a2 (zuletzt aufgerufen: September 2019)

[2] https://www.spd.de/aktuelles/grundrente/