Erwerbsminderungsrente – Antragstellung
Rehabilitation vor Erwerbsminderungsrente
Sicherlich haben Sie bereits vom Prinzip der Deutschen Rentenversicherung „Reha vor Erwerbsminderungsrente” gehört?
Ihnen ist vielleicht nicht bekannt, wie dieses in der medizinischen Rehabilitation und im Rentenrecht umgesetzt wird? Dessen Zielsetzung ergibt sich aus dem zugrundeliegenden Gesetzestext:
„Die Rentenversicherung erbringt Leistungen zur medizinischen Rehabilitation um Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder Sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern (§ 9 Abs. 1 SGB VI)“.
Der Gesetzestext ist dahingehend zu verstehen, dass einem Rentenantrag wegen Erwerbsminderung (EM-Rente) zunächst kaum Aussicht auf Erfolg beschieden sein wird. Zuvor werden Leistungen der medizinischen Rehabilitation „gewährt”.
Medizinische Rehabilitation und Renten wegen Erwerbsminderung anteilig nach Krankheitsbildern in Zahlen:
Der weitaus größte Anteil der bewilligten ambulanten und stationären Rehabilitationsmaßnahmen (1.004.617 Rehabilitationen – Jahr 2012) entfällt (entgegen häufig vertretener öffentlicher Meinung) auf Krankheiten der Bewegungsorgane. Konkreter stellte sich dies wie folgt dar (Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund):
- 342.382 Krankheiten der Bewegungsorgane
- 153.847 Neubildungen (Onkologie – Krebs)
- 149.485 psychische Krankheitsbilder
- 87.816 Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems
- 271.087 (andere Krankheitsbilder)
Neubewilligungen der Renten wegen Erwerbsminderung erfolgen hingegen ganz überwiegend aufgrund psychosomatischer Krankheitsbilder. Erst mit weitem Abstand folgen Erkrankungen der Bewegungsorgane.
Eine Erwerbsminderungsrente wurde
- ca. 65.709 Patienten aufgrund psychosomatischer Krankheitsbilder,
- ca. 22.500 Patienten aufgrund Krankheiten der Bewegungsorgane,
- ca. 20.000 Patienten aufgrund Neubildungen (Onkologie) und
- ca. 19.000 Patienten aufgrund Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems
zuerkannt.
(Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund – Jahr 2012)
Anmerkung: an anderer Stelle wird von abweichenden Zahlen berichtet. Dem regionalen Pressesprecher der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover zufolge wurden 2012 bundesweit fast 365.000 Anträge auf Erwerbsminderungsrente gestellt. Davon wären 192.000 bewilligt (ca. 52,50 %) worden.
Bei Betrachtung vorgenannter Zahlen ist zu erkennen, dass bei psychischen Erkrankungen der Erfolg der medizinischen Rehabilitation eher mäßig zu sein scheint. Etwa 44 % der ehemaligen Rehabilitanden erhalten die Rente wegen Erwerbsminderungsrente dann doch noch zuerkannt.
Keineswegs alle Teilnehmer einer Rehabilitationsmaßnahme beantragen die Erwerbsminderungsrente
Vielen Rehabilitanden ist daran gelegen, im Arbeitsleben zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Bei anderen Patienten wiederum liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor (z. B. müssen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung belegt sein ( § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI).
(soweit die Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover zutreffen, dürfte – unter Einbeziehung der Relationen der einzelnen Krankheitsbilder untereinander – die Zuerkennung von Erwerbsminderungsrenten aufgrund psychischer Erkrankungen deutlich über 44 % liegen)
Das durchschnittliche Lebensalter der Versicherten bei Rentenbeginn aufgrund psychischer Erkrankungen beläuft sich übrigens auf 48,1 Jahre. Es liegt damit unter dem der anderen Krankheitsbilder (50,4 Jahre).
Erwerbsminderungsrente – der zeitliche Verlauf
Dem Grundsatz „Reha vor Rente” kann der geneigte Leser entnehmen, dass eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht von heute auf morgen bewilligt wird. Bereits das erfolgreiche Beantragen medizinischer Rehabilitationsleistungen bedarf einer begründeten medizinischen Notwendigkeit. Der Weg dorthin kann durchaus steinig sein.
Etwa 35 % aller Anträge auf stationäre medizinische Reha werden – trotz fachärztlicher Befürwortung – abgelehnt oder nur eingeschränkt bewilligt (Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund – Jahr 2012). Beispielsweise mit der Einschränkung, dass wohnortnahe ambulante Leistungen ausreichen würden.
Die Deutsche Rentenversicherung begründet jedoch den Grundsatz „Reha vor Rente” mit den bereits erwähnten Worten: „die medizinische Rehabilitation leistet einen Beitrag um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten und wiederherzustellen”.
Zeiten länger andauernder Arbeitsunfähigkeit sind ein starkes Indiz für eine Gefährdung im vorgenannten Sinn. Die Krankenkasse ist dann nach ärztlichem Gutachten befugt, eine Frist von 10 Wochen zu setzen. In dieser hat der Versicherte einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen (§ 51 Abs. 1 S. 1 SGB V).
Praxistipp:
Nehmen Sie das (ambulante oder stationäre) Rehabilitationsangebot der Deutschen Rentenversicherung an.
Das Zusammenwirken aller verordneten Heilmaßnahmen fördert die Aussicht auf Genesung. Bleibt der Heilungserfolg aus, kann dies als Nachweis für die Erfolglosigkeit der medizinischen Rehabilitation verstanden werden.