Rentenrecht – Diagnosen und Zurechnungszeit bei Erwerbsminderungsrente

Rentenrecht und  Erwerbsminderungsrente

Der Volksmund sagt, dass das Rentenrecht undurchsichtig ist: „Anträge auf Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeitsrente  würden in der Regel abgelehnt werden„. Das stimmt so nicht:

       Beispielsweise wurden im Jahr 2022

  • 338.014 Anträge auf EM-Rente gestellt.
  • Bewilligt wurden davon 172.832 (51,13 %) und
  • abgelehnt 145.251 Anträge (42,97 %).

(Deutsche Rentenversicherung-Bund – Zahlen und Fakten)

Der Rentenversicherungsträger hat jedoch bei seiner Entscheidungsfindung einen Ermessensspielraum. Dem sogenannten Ermessen kommt im Rentenrecht erhebliche Bedeutung zu. Dies betrifft beispielsweise das durch Erkrankung eingeschränkte Leistungsvermögen.


Anmerkung zum Rentenrecht

Das Rentenrecht (SGB VI) ist im sechsten Buch des Sozialgesetzbuches geregelt. Mitgeltende rentenrechtliche Kommentare, gerichtliche Urteile zum Rentenrecht und Praxiserfahrung sind wichtig, um Ansprüche gegenüber dem Rentenversicherungsträger konkret zu begründen. Der einfache Verweis auf die Gesetze zum Rentenrecht ist in der Regel nicht hinreichend, um im Widerspruchs- oder Klageverfahren Aussicht auf Erfolg zu haben. Die Behörde hat zwar eine Amtsermittlungspflicht und soll den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Art und Umfang der Ermittlungen bestimmt der Rentenversicherungsträger jedoch selbst (§ 20 SGB X).

Nur am Rande sei angemerkt, dass sich nach Auffassung der Politik einige Regelungen im Rentenrecht als zu starr erwiesen hätten. „Dies stehe auch dem Ziel entgegen, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten, um eine längere Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen„. Tatsache dürfte eher sein, dass die Rentenkassen leer sind und die Menschen deshalb länger arbeiten sollen.

Ob deren  Leistungsvermögen mit 67. Jahren (Regelaltersgrenze) oder künftig eventuell mit 70. noch ausreicht, um den Anforderungen einer hoch technisierten Arbeitswelt entsprechen zu können, ist zumindest fragwürdig.


Erwerbsminderung im Rentenrecht

Eine organische oder psychische Erkrankung wirkt sich auf das sogenannte qualitative und quantitative Leistungsvermögen aus. Eben dies soll durch die sozialmedizinische ärztliche Begutachtung festgestellt werden. Oftmals erfolgt diese in einer Reha-Klinik der Deutschen Rentenversicherung. Zum Abschluss der Reha fertigt die Klinik den sogenannten Reha-Entlassungsbericht aus. Aus diesem ist ersichtlich, wie die Ärzte der Klinik das Leistungsvermögen des Patienten beurteilen.

Bei oftmals nicht zweifelsfreier Diagnose

– zum Beispiel als Schmerzpatient mit chronischen Schmerzstörungen oder Angst, burnout, Depression, Fibromyalgie, Migräne, Rheuma, Stress, Tinnitus – bei Schmerzen am Rücken und an der Wirbelsäule

kann das ärztliche Gutachten Anlass zum Streit mit der Rentenversicherung geben.

Am Restleistungsvermögen bemisst sich, ob ein Rentenanspruch besteht. Entsprechend lässt sich alleinig aus einer Schwerbehinderung, beziehungsweise dem Grad der Behinderung (GdB), kein Anspruch auf Zuerkennung einer Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit herleiten.


Zurechnungszeit ist geldwert

Die Höhe der Rente wegen Erwerbsminderung bestimmt sich keineswegs allein an den bislang geleisteten Einzahlungen in die Rentenkasse. Wer nicht mehr arbeiten kann und erwerbsgemindert ist, erhält eine sogenannte Zurechnungszeit zuerkannt. Dabei wird simuliert, dass der Rentner bis zu einem bestimmten Alter weiter gearbeitet und in dieser Zeit weiterhin Rentenbeiträge entrichtet hätte. Die Zurechnungszeit soll bis 2031  schrittweise auf das 67. Lebensjahr angehoben werden (§ 253a SGB VI).

       Hier können Sie den geldwerten Vorteil der Zurechnungszeit online berechnen:

Rentenrecht und Zurechnungszeit bei Erwerbsminderungsrente

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Einkommensersatzfunktion der EM-Rente

Die Rente aufgrund Erwerbsminderungsrente soll den Verdienstausfall weitestgehend ersetzen, wenn der Rentenversicherte nicht mehr arbeiten kann. Die EM-Rente hat also eine Einkommensersatzfunktion. Diese Rente können übrigens auch Selbständige beziehen. Eine Anrechnung auf vorhandenes Vermögen findet (im Gegensatz zum Bürgergeld) nicht statt.